Als Frau allein durch Amerika
Simone Kruse war mit einem alten Ford 5 Monate unterwegs.
(Auszug aus unserem Reiseführer USA/Canada - Das Handbuch für individuelles Reisen)


Reiseführer "USA/Canada - Das Handbuch für individuelles Reisen"Motivation Das ist viel zu gefährlich, was kann da nicht alles passieren! So oder ähnlich reagierten Eltern, Freunde und Bekannte als sie hörten, daß ich – in der Zeit zwischen Aufgabe meiner Stelle als Speditionskauffrau und Beginn des Studiums – einen alten Traum wahrmachen wollte: fünf Monate durch den Westen der USA reisen, Naturwunder und grandiose Landschaften Amerikas mit eigenen Augen sehen. Dabei lag mir durchaus nichts daran, die Reise alleine zu machen, nur fand sich im Freundeskreis niemand, der über die erforderliche Kombination aus Zeit, Geld und Lust verfügte. Den einmal gefaßten Plan deshalb aufgeben wollte ich auf keinen Fall. Die letzten Zweifel räumte ein Zeitschriftenartikel aus, in dem eine Abiturientin begeistert über ihre sechsmonatigen USA-Reiseerfahrungen berichtete.

Planung Der Flug war schnell gebucht, auch ein Zwei-Wochen-Trip zu Pferd durch Arizona gleich zu Reisebeginn. Außerdem reservierte ich noch eine Fahrt mit dem Canadian, einem Zug, der mich zum Abschluß der Reise von Lake Louise in den Rocky Mountains quer durch Canada nach Montreal bringen sollte. Ohnedem hätte ich im August keinen Platz bekommen. Obwohl ich nach intensiver Lektüre von Reiseführern und allerhand Informationsmaterial schon in etwa wußte, welche Regionen, vor allem welche Nationalparks, ich gerne besucht hätte, schien es mir sinnvoll, darüberhinaus möglichst wenig im voraus festzulegen. Ich wollte spontan und flexibel auf alles reagieren können, was sich unterwegs ergeben würde.

Dabei war mir zunächst völlig unklar, wie ich die ins Auge gefaßten Ziele eigentlich erreichen sollte. Ein Mietwagen wäre angesichts der Reisedauer viel zu teuer geworden. Trampen erschien zu gefährlich. Man trifft zwar unterwegs immer mal wieder auf Frauen, die allein hitchhiken, dennoch sind die Risiken gerade für Frauen unwägbar. Nachdem also diese beiden Möglichkeiten nicht in Frage kamen, blieb eigentlich nur noch der Greyhound-Bus. Denn mit der Bahn zu fahren, ist im Westen der USA wegen der wenigen Strecken keine Alternative. Ich besorgte mir also im Reisebüro noch zwei Greyhound-Monatspässe (siehe oben und Abschnitt 2.5.6), die bei uns billiger sind als vor Ort und bei Nichtinanspruchnahme zurückgegeben werden können. Man spürt, daß ich mit dieser Lösung so ganz glücklich nicht war.

Tatsächlich kam es dann auch anders. Ich stellte drüben schnell fest, daß der Greyhound Bus sich in erster Linie für Leute eignet, die eine Reise durch Amerikas Städte unternehmen möchten. Das einschließlich der Strecken assoziierter Linien scheinbar dichte Netz läßt die meisten Nationalparks (einzige Ausnahme unter den populäreren Parks ist der Grand Canyon) links liegen – z.B. Bryce Canyon, Zion, Sequoia und Kings Canyon, um nur einige zu nennen – oder bietet extrem schlechte Verbindungen, die nicht selten auch noch einen Zuschlag kosten, wie u.a. im Fall der Parks Yosemite und Yellowstone. Andere, weniger bekannte, aber nichtsdestoweniger sehenswerte Landschaften bekommt man höchstens im Vorbeifahren durchs Busfenster zu sehen. Problematisch sind die vielen, in heruntergekommenen Vierteln gelegenen Busbahnhöfe, die schon tagsüber ausgesprochen unerfreulich sein können und nachts von Frauen besser gemieden werden sollten. Aber was tut man bei oft unvermeidlichen Ankunftszeiten spät abends oder sogar um 3 Uhr in der Früh? Was das Thema aufs Unterkommen bringt: Selbst wenn man/frau weiß, wo das nächste günstige (und hoffentlich freie) Hotel oder das YM/WCA liegt (siehe unten), die oft beachtliche Distanz vom Busbahnhof dorthin muß erst überwunden werden. Mit Gepäck und im Zweifel nicht vorhandenen öffentlichen Verkehrsmitteln läuft das aufs teure Taxi hinaus. An die Notwendigkeit einer Quartiersuche mitten in der Nacht darf frau gar nicht erst denken.

Theoretisch gab es nach diesen Erkenntnissen nur zwei Alternativen: Entweder trotz allem mit Greyhound reisen und auf etliche der Nationalparks verzichten oder sich irgendwie ein Auto besorgen. Praktisch rückte die zweite, in Deutschland überhaupt nicht erwogene Möglichkeit als einzig vernünftig erscheinende Lösung des Transportproblems ins Blickfeld. Und so kaufte ich mir nach einem Monat in den USA mit Hilfe von Bekannten in San Diego einen 12 Jahre alten Ford Station Wagon (Kombi). Mit dem Auto bekam ich im Endeffekt das zu sehen, was ich mir vorgenommen hatte, und sparte obendrein viel Geld. Ob nun Mietwagen oder eigenes Auto, hängt von der Dauer der Reise und dem Geldbeutel ab, aber grundsätzlich geht nach meiner Erfahrung nichts über den fahrbaren Untersatz.

Das Autofahren in Amerika ist kinderleicht. Ich fahre in Deutschland nicht so übermäßig gern, es ist mir zu eng und unübersichtlich, außerdem sind deutsche Autofahrer im Vergleich zu amerikanischen aggressiv und rücksichtslos. Ich hatte noch nie soviel Spaß am Autofahren und verfuhr mich auch nur selten. Tankstellen gibt es en masse, das Benzin ist billig, und der Tankwart füllt auch gern mal Öl nach, wenn frau das nicht selber machen will/kann.
 

Technik Man muß mitnichten eine Hobbymechanikerin sein (ich habe überhaupt keine Ahnung), um auch technisch über die Runden zu kommen. Mietwagen sind sowieso meist neueren Datums, und sollte doch mal etwas nicht stimmen, dauert es gewiß nicht lange, bis irgendein freundlicher Amerikaner stoppt und sich erkundigt, ob something wrong sei, ob frau any problems habe und ob er helfen könne. Ich spreche aus Erfahrung, denn das Kühlwasser meines Pinto geriet anfangs oft ins Kochen, und dann blieb er letztlich stehen. Mir rutschte jedesmal das Herz in die Hose, doch immer hielt jemand an, der mir half. Mit einer kleinen Reparatur konnte das Problem glücklicherweise beseitigt werden.

Besondere Risiken in Verbindung mit dem Umstand, als Frau allein im Auto in einem fernen Kontinent unterwegs zu sein, empfand ich nicht. Dabei bin ich normalerweise nicht besonders mutig. Auf der Reise jedoch war es, als ob ich ein ganz neues Bewußtsein bekommen hätte. Ich fühlte mich frei und ungebunden, war völlig selbständig und konnte allein entscheiden, was und wohin ich wollte. Dabei tat ich gelegentlich Dinge, die mir erst im Nachhinein als riskant oder zumindest leichtsinnig erscheinen. Beispielsweise übernachtete ich einmal in meinem Kombi auf einem Autobahn-Parkplatz. Erstaunlicherweise kam mir das damit verbundene Risiko nicht im geringsten in den Sinn. Und als ich am nächsten Morgen aufwachte, standen acht weitere Autos auf dem Platz. Andererseits bin ich möglichst nie bei Dunkelheit gefahren, schon gar nicht auf einsamen Landstraßen, weil ich – nach den Pannen mit dem Kühler – Angst hatte, liegenzubleiben.

Unterkunft Ist die Fortbewegung geklärt, bleibt die Lösung der Übernachtungsfrage, wenn frau sich nicht gleich einen Camper zugelegt hat. Zieht sie ein festes Dach über dem Kopf vor, sollte sie sich das im Abschnitt 1.3.3 empfohlene Let’s Go, the Budget Guide to USA zulegen. In diesem Reiseführer für junge und junggebliebene Leute sind u.a. die Adressen der Youth Hostels und sonstigen Jugendhotels, YMCAs und YWCAs vermerkt, in denen man auch als alleinreisende Frau gut untergebracht ist und viele interessante Leute kennenlernt. Ich fand das viel besser und im übrigen preiswerter als die sterilen Motels, um die man zwar manchmal nicht herumkommt, in denen man aber meistens isoliert ist und oft ohne Kontakte zu anderen bleibt. Als Nachteil kommt die Lage der meisten Motels hinzu. Oft muß man Meilen fahren, um ins Stadtzentrum (so vorhanden) zu gelangen, oder sich mit einem Fast Food-Lokal als Abendunterhaltung zufriedengeben.
 

Camping Ich meine, in Amerika sollten auch Frauen in Erwägung ziehen zu campen. Für mich gibt es dazu auf Dauer keine wirkliche Alternative. Campgrounds sind reichlich vorhanden und oft fantastisch gelegen. Speziell kleinere und versteckte Plätze (z.B. in den Nationalforsten) haben es mir angetan, obwohl durchweg Duschen fehlen und das Plumpsklo einziger Luxus ist. Dort findet man meist auch bei spätem Eintreffen noch ein Plätzchen. Meiner Erfahrung nach braucht frau selbst auf kleinen abgelegenen Campgrounds keine Angst zu haben. Sie trifft zwar nicht immer auf Gleichaltrige oder Leute mit gleicher Wellenlänge, aber ganz allein ist sie nie, und seien die Platznachbarn eines der allgegenwärtigen Rentnerpaare, die in ihren Motorhomes kreuz und quer durch ganz Nordamerika unterwegs sind.
 

Zelt Hat frau sich dazu entschlossen, vorzugsweise in freier Natur zu übernachten, benötigt sie ein Zelt, es sei denn, das Auto ist geräumig genug, um sich darin bequem zum Schlafen auszustrecken. Wer nicht schon ein Zelt besitzt, sollte überlegen, ob Einpersonen- oder Zweipersonenzelt. Erstere sind recht eng, dafür aber wegen ihres geringen Gewichts bei eventuellen Übernachtwanderungen sehr praktisch. Ich war – abgesehen von diesem Aspekt – mit meinem Zweimannzelt sehr zufrieden. Qualitativ gute Zelte zu einem angemessenen Preis gibt es besser hier als in Nordamerika.
 

Schlafsack Einen Schlafsack sollte auch dabei haben, wer nicht plant, überwiegend zu campen; frau weiß ja nie, wo sie im ungünstigen Fall mal landet. Einige Frostgrade muß er selbst auf einer durchgehend sommerlichen Reise abhalten können, denn in Höhenlagen wird es bisweilen ziemlich kalt. Ich war manchmal heilfroh, einen Daunenschlafsack zu besitzen. Auch die Isomatte leistete gute Dienste. Für sehr warme Nächte hatte ich mein Inlet als Alternative.
 

Verpflegung Die Verpflegung unterwegs war unproblematisch. Fast Food Restaurants habe ich gemieden und selbst gekocht, wenn irgend möglich. Auf dem Campingplatz, will man nicht wieder meilenweit fahren, ohnehin die vernünftigste Alternative. Ich besaß einen Spirituskocher, der mich nie im Stich ließ. Sämtliche Kaufhäuser führen im übrigen recht preiswerte Gas- und Benzinkocher. Außerdem gibt’s auf den meisten Campingplätzen Feuerstellen fürs urige Kochvergnügen Western Style oder das romantische Lagerfeuer.
 

Coolbox Was Lebensmittel angeht, so ist das Angebot auch bei Obst und gesunder Kost in den Supermärkten reichlich und dazu auch noch preiswert. Wer eine längere Wandertour plant, findet gefriergetrocknete Fertiggerichte (Literaturtip: Handbuch für die Rucksackküche von Wolfgang Uhl). Auf jeden Fall braucht man eine Coolbox, die täglich oder im 2-Tage-Rythmus mit einer Ladung Eis versorgt wird. Kühlboxen sind billig, und Eis gibt’s noch an der letzten Tankstelle.
 

Kleidung Welche Kleidung sollte frau mitnehmen? Mein Rat: so wenig wie möglich! Ich kam mit einer Jeans, einer leichten Sommerhose, ein Paar Shorts, einem Paar Turnschuhe, Wanderstiefeln, Badelatschen, Sweat-Shirt, einigen T-Shirts, einer Flanellbluse, Thermo-Strickjacke, Windjacke und etwas Unterwäsche gut über die Runden, und das im Schneegestöber am Bryce Canyon ebenso wie in großen Cities. Sollte etwas fehlen, kann frau es leicht nachkaufen (oft günstiger als in Europa). Waschsalons gibt es noch im kleinsten Ort.
 

Wandern Plant frau größere Wanderungen, ist ein Rucksack unverzichtbar, aber auch für kürzere Trails nützlich. In ihm lassen sich Extrapullover, Papiere und Geld (nie im Auto lassen!) besser mitnehmen als in Umhängetaschen o.ä. Was das Allein-Wandern als Frau betrifft, würde ich zwar zur Not den Grand Canyon allein hinabsteigen, da dort viel Betrieb herrscht, aber eine Wanderung ins einsame Hinterland des Yellowstone, Yosemite oder anderer Parks würde ich ohne Begleitung nicht unternehmen. Es ist glücklicherweise selten schwer, Leute zu finden, denen man sich anschließen kann.

Kontakte Als Alleinreisende findet frau in Amerika überhaupt sehr leicht Kontakt zu anderen – weiblich oder männlich. Ob frau sich auf eine Unternehmung und/oder nähere Bekanntschaft mit Männern einläßt, die sie kaum kennt, ist eine Sache der Intuition. Ich bin zum Glück nie ernstlich in Schwierigkeiten geraten. Beispielsweise traf ich auf einem Parkplatz im Yosemite Nationalpark einen Amerikaner, mit dem ich nach einem Tag Bekanntschaft eine 4-tägige Wanderung in die Sierra Nevada unternahm. Genaugenommen war das reichlich leichtfertig, aber wir verstanden uns gut, und alles lief glatt. Als ich dagegen in Albuquerque/New Mexico mit schwerem Rucksack auf dem Weg zum Busbahnhof war und mir ein Amerikaner einen Lift dorthin anbot, leuchtete gleich das rote Lämpchen auf, dabei war er nicht unsympathisch. Aber dann kam der seltsame Ratschlag, besser nicht nach Santa Fe zu fahren, da dort nur Gesindel herumlaufe, und stattdessen mit ihm ins Kino zu gehen. Was ich sagen will, ist nichts weiter als: sollte sich der leiseste Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit von Personen regen, dann lieber den Kontakt abbrechen bzw. abwimmeln.

Mit den amerikanischen Männern ist es wie mit allem in Amerika: das Spektrum der Typen – vom konservativen Yuppie bis zum totalen Flippie – erscheint weitergefächert als bei uns. Wobei die extremen Typen gegenüber den "Normalen" gleichzeitig auffälliger in Erscheinung treten. Ich lernte mal einen sanften Vegetarier kennen, der sich der Rainbow-Family verbunden fühlte, dann einen erfolgreichen Stuntman, der sein Geld wohltätigen Zwecken spendete und deshalb als Nicht-Autobesitzer trampte, Dosen-Spaghetti aß und im Zelt wohnte. Ein anderer arbeitete bei Daimler Benz im Nobelvorort La Jolla bei San Diego und steckte seine Dollars in den Bau einer Segelyacht, mit der er eine Weltreise plant. Sein Freund betrieb einen Laden für Segelzubehör, bastelte an Autos und vergnügte sich jede freie Minute mit seinem Trimaran in der Bucht von San Diego. Vielleicht war er normal? Drei Eigenschaften fielen mir an den amerikanischen Männern immer wieder auf: sie sind unkompliziert, offen und außerordentlich hilfsbereit. Sollte ich den typischen Amerikaner beschreiben müssen, so ist er (egal welchen Alters) in Jeans gekleidet, trägt Cowboystiefel oder Sportschuhe (Sneakers), kariertes Hemd oder T-Shirt und die ebenso unvermeidliche wie entsetzliche Baseballmütze auf dem Kopf.
 


 


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